Mehr als 30 Jahre Erfahrung und Auseinandersetzung mit Restaurierung und Kunstmarkt lassen zur handwerklichen Feinheit auch die dazugehörigen Einschätzungen und Positionen reifen. Sie fließen in jede Arbeit ein und machen die Handschrift eines Restaurators aus.

Frage: Heute ist Kunst einer breiten Öffentlichkeit, ja eigentlich einem Massenpublikum zugänglich und soll auch von diesem konsumiert werden. Mit welchen Folgen für die Kunstwerke?

Antwort: Weil heute Kunstwerke viel auf Ausstellungsreisen gehen, sind sie vermehrt Risiken ausgesetzt. Entsprechend dazu haben sich viele Schutzmaßnahmen als Standards etabliert, zum Beispiel sollen spezielle Verpackungsmaterialien Transportschäden verhindern, dazu kommen Licht-, Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsmessungen. Jede Reise wird außerdem in fotografischen und schriftlichen Dokumentationsberichten aufgezeichnet. Auf die geringste Veränderung kann also rasch reagiert werden.

Frage: Restaurierung heute und Restaurierung vor 50 Jahren. Hat sich Entscheidendes geändert? Wie wirkt sich die Schnelllebigkeit unserer Zeit auf das Handwerk der Restaurierung aus?

Antwort: Mittlerweile stehen den Restauratoren bedeutend mehr und unterschiedliche Möglichkeiten optischer, chemischer und kunsthistorischer Analyse zur Verfügung. Neue, besonders materialschonende Techniken oder reversible Materialien ermöglichen den Werkstätten Restaurierungsverfahren auf hohem Niveau. Jenseits dieser Entwicklungen kommt es aber nach wie vor entscheidend auf den verantwortungsvollen handwerklichen Umgang des Restaurators mit Kunst an. Der Faktor Zeit spielt hier aufgrund komplexer oder einfach langwieriger Arbeitsprozesse eine ernst zu nehmende Rolle.

Frage: Moderne Kunst benutzt heute alles an Material für ihre Zwecke. Der Verfall selbst ist dabei oft ein Thema. Wann stößt Restaurierung an Grenzen? Welche Aufgabe kann Restaurierung in solchen Fällen überhaupt noch übernehmen?

Antwort: Der Restaurator bewegt sich in einem besonderen Spannungsfeld. Die Frage ist einerseits, ob er den Verfall eines sehr schnell alternden, quasi sich selbst zerstörenden Materials aufhalten kann - man denke nur an Objekte aus Nahrungsmitteln oder Schaumstoffen. Andererseits mag dies in einigen Fällen durchaus machbar sein, ist aber nicht zwangsläufig im Sinne des Künstlers. Denn manchem modernen oder zeitgenössischen Künstler ist ja genau daran gelegen - das eigene Werk einen sichtbaren Zersetzungsprozess durchlaufen zu lassen, anstatt es auf einen unveränderlichen Zustand festzulegen. Natürlich wird derjenige, der es erworben hat, wieder anders darüber denken.

Frage: "Altern heißt, sich über sich selbst klar werden", hat Simone de Beauvoir einmal gesagt. Könnte auch für Kunstobjekte der Alterungsprozess als ein Reifeprozess beschrieben werden?

Antwort: Kein Kunstwerk bleibt in einem 'Urzustand' erhalten. Kennen wir ein Bild besonders gut, erwarten wir zwar, es stets unverändert vorzufinden. Wenn sich dann doch die Oberfläche allmählich verändert, also durch die Alterung des Materials eine Patina annimmt, nehmen wir diesen Unterschied kaum wahr. Die Patina gehört zum Bild - insofern könnte man Alterung mit einem Reifungsprozess gleichsetzen. Rufen falsche Behandlungen und Beschädigungen jedoch wahrnehmbare und damit störende Veränderungen hervor, wird einen Restaurierung erforderlich. Ziel ist immer, von der Patina so viel als möglich zu erhalten. Gleichwohl ist der Übergang von Patina in Verfall oft ein fließender und jedes Kunstwerk stellt so andere Herausforderungen an seine Bewahrer.